Cannabis Grenzwert Ampel im Straßenverkehr
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Neuer Cannabis Grenzwert im Straßenverkehr

Was bedeutet die Cannabis Legalisierung für Autofahrer? PKW-Experte Stefan Swat mit der Antwort
Veröffentlicht am 25.09.2024
7 Minuten Lesedauer

Nach Jahrzehnten konservativer Drogenpolitik tut sich etwas beim Cannabis Grenzwert im Straßenverkehr. Die eher holperige Teil-Legalisierung – eigentlich Entkriminalisierung – von Besitz und Anbau brachte nun auch ein lang und breit diskutiertes Thema wieder auf die politische Agenda: den Umgang mit Cannabis im Straßenverkehr. Im August hat Bundespräsident Steinmeier dazu die Änderungen für das Straßenverkehrsgesetz (StVG) und die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) unterschrieben. Die wichtigste Änderung: Die Grenze für den erlaubten Cannabis-Restwert im Blut wurde von 1,0 auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blutserum angehoben.

Über den Autor

Stefan Swat ist Verkehrstherapeut und Coach. Im Bereich MPU-Beratung / MPU-Vorbereitung begleitet er seine Klienten auf dem nicht immer leichten Weg zur positiven MPU. Als Fachliche Leitung von shift coaching in Düsseldorf konzipiert er wirksame Programme nach neuesten psychologischen und soziologischen Erkenntnissen. Neben Verkehrsthemen verhilft er seinen Klienten auch in den Lebensbereichen Familie, Partnerschaft und Beruf zum entscheidenden shift in ihrem Veränderungsprozess.

PKW-Experte und MPU-Berater Stefan Swat

Cannabis Grenzwert im Straßenverkehr: Keine Änderung für die Verkehrssicherheit

Auch wenn der Boulevard schon Panik verbreitet: Dies wird nicht zur Folge haben, dass wir ab sofort mit einer Masse bekiffter Autofahrer zu tun haben. Denn das oberste Gebot für alle Regeln und Gesetze rund um den Straßenverkehr lautet immer noch: Die Sicherheit steht an oberster Stelle – safety first. Beim aktuellen Grenzwert handelt es sich um einen Restwert, der im Körper nachgewiesen werden kann, wenn der Cannabis-Rausch bereits abgeklungen ist. Es ist und bleibt völlig klar: Menschen im Rauschzustand können keine Fahrzeuge sicher navigieren, egal ob sie Alkohol oder andere Drogen konsumiert haben. Berauschtes Fahren ist daher nach wie vor klar verboten. Die Wissenschaft spricht vom notwendigen Trennvermögen zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme.

THC-Grenzwert: Das vorläufige Ende einer langen Diskussion

Bei vielen Fachwissenschaftlern galt der alte Grenzwert von 1,0 ng/ml schon lange als ungeeignet für die Einschätzung der Fahrtüchtigkeit. Der Wert war so niedrig angesetzt, dass zwar ein zurückliegender Konsum nachgewiesen wurde, aber keine verlässliche Aussage über das Risiko im Straßenverkehr getroffen werden konnte. Deswegen forderten Experten schon seit Jahren eine Anhebung des THC-Grenzwerts. Nachdem die Grenzwertkommission sich nach langer Debatte aufgrund der uneinheitlichen wissenschaftlichen Studienlage nicht einigte, hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine Arbeitsgruppe für eine Empfehlung an den Gesetzgeber zusammengestellt.

Im Vordergrund: die oft beklagte Ungleichbehandlung des Cannabis-Konsums gegenüber der anderen Volksdroge Alkohol abzuschaffen oder mindestens abzumildern. Denn auch beim Alkohol wird ein Trennvermögen zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme verlangt, wenn auch mit einer gewissen Toleranz im unteren Promillebereich. Alkohol und Cannabis sind in ihrer Wirkweise und im Abbau kaum miteinander vergleichbar, auch für den legalen Cannabis-Konsum wird ein realistischer Toleranzbereich benötigt.

Der Grenzwert beim THC-Gehalt im Blut mit 3,5 Nanogramm ist in etwa mit einem Wert von 0,2 Promille vergleichbar und damit noch deutlich unterhalb der Schwelle für ein erhöhtes Unfallrisiko angesiedelt.

THC für Fahranfänger: Null Toleranz

Für Fahrer in der Probezeit und Menschen bis zum Alter von 21 Jahren gilt weiterhin ein vollständiges Cannabisverbot am Steuer, ähnlich wie in der Probezeit auch beim Alkohol der Grenzwert 0,0 Promille beträgt. Fahranfänger sind statistisch gesehen eine Gruppe mit erhöhter Unfallwahrscheinlichkeit, deswegen gelten für sie strengere Gesetze. Verstöße werden mit einem Bußgeld von 250 Euro geahndet und es drohen Maßnahmen wie Fahrverbote, besondere Aufbauseminare oder eine Verlängerung der Probezeit.

Worauf Cannabis-Konsumenten im Straßenverkehr jetzt achten müssen

Für alle Cannabis-Konsumenten außerhalb der Probezeit gilt trotz der Liberalisierung weiterhin Vorsicht und Achtsamkeit. So kann beispielsweise ein nachgewiesener Mischkonsum von Cannabis und Alkohol weiterhin zu erheblichen Sanktionen führen. Besonders herausfordernd: Die Selbsteinschätzung, ob eine Fahrtüchtigkeit nach Abklingen der Rauschwirkung des Cannabis-Konsums schon wieder besteht oder nicht. Brauchbare Schnelltests gibt es für Fahrer noch nicht, daher ist es schwer einschätzbar, ob der Wert von 3,5 ng/ml bei Fahrtantritt bereits unterschritten wird. Da der Cannabis-Abbau im Körper deutlich unregelmäßiger und komplexer erfolgt als zum Beispiel beim Alkohol, ist es schwierig, den Wert zu schätzen.

Cannabis Grenzwert: Wie lange ist Cannabis im Körper nachweisbar?

Diese Frage zu beantworten, ist sehr komplex. Die ehrlichste Antwort: Es kommt drauf an! Der THC-Abbau wird von der Wirkstoffkonzentration des jeweiligen Cannabisprodukts und der Regelmäßigkeit und Intensität des Konsums ab. Denn THC und seine Abbauprodukte gelangen über den Blutkreislauf in die Fettzellen des Körpers, werden dort eingelagert und über einen längeren Zeitraum wieder an den Blutkreislauf abgegeben. Je mehr und je häufiger konsumiert wird, desto mehr Einlagerung findet statt, umso länger ist Cannabis also im Blut nachweisbar. Auch die Konsumform spielt beim Abbau eine Rolle. So findet beim Rauchen oder Vaporisieren ein schnellerer Abbau statt, während bei sogenannten Edibles (Gebäck oder Süßigkeiten) der Abbau deutlich länger dauern kann. Praktisch bedeutet das: Zwar lassen sich für die Nachweisbarkeit grobe Richtwerte zur Orientierung finden, diese sollten aber insbesondere für den Straßenverkehr vorsichtig ausgelegt werden, da die reale Nachweisdauer unter Umständen deutlich abweichen kann. Wird Cannabis geraucht oder inhaliert, finden sich in Bezug auf den neuen THC 3,5 ng-Grenzwert zum Beispiel vorsichtige Empfehlungen bei der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und Verkehrspsychologie (DGVM/DGVP), welche für gelegentliche Konsumenten mit moderatem Konsum eine Wartezeit von mindestens 12 Stunden voraussetzen, auch wenn bereits nach 3-5 Stunden Werte unter 3,5 ng/ml erreicht werden können. Bei regelmäßigem Konsum von THC sei zumeist nach 3-5 Tagen nicht mehr mit einem Nachweis oberhalb von 3,5 ng/ml zu rechnen. Bei täglichem Konsum ist laut den Fachwissenschaftlern eine Verkehrsteilnahme in der Regel ausgeschlossen und sollte erst nach mehreren Wochen wieder in Erwägung gezogen werden.

Mit Cannabis am Steuer erwischt: Welche Sanktionen drohen

Wird der Cannabis Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum überschritten, droht ein Bußgeld von 500 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat. Bei zusätzlichem Alkoholkonsum kann das Bußgeld auf bis zu 1000 Euro ansteigen. Ausnahmen gelten für Patienten mit der medizinischen Erlaubnis für Cannabis. Auch hier ist Vorsicht geboten: Bei Cannabis-Patienten gilt ebenfalls, dass die Fahrtüchtigkeit gewährleistet sein muss – es darf keine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit durch die THC-Einnahme vorliegen.

 

THC-Grenzwert: Neue Regelungen für die MPU?

Bestehen seitens der Behörde durch eine Cannabis-Auffälligkeit Zweifel an der Fahreignung, kann nach wie vor eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Hinweise auf eine Abhängigkeit oder einen missbräuchlichen Konsum vorliegen. Auch ein Ärztliches Gutachten (ÄG) kann zur Feststellung des Konsummusters von der Behörde verlangt werden. Insbesondere die Definition von Missbrauch bleibt in der Fahrerlaubnisverordnung auslegungsbedürftig: „Das Führen von Fahrzeugen und ein Cannabiskonsum mit nicht fernliegender verkehrssicherheitsrelevanter Wirkung beim Führen eines Fahrzeugs können nicht hinreichend sicher getrennt werden“ (Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV). Im Zweifelsfall muss dann verwaltungsjuristisch darüber gestritten werden, ob die Relevanz für die Verkehrssicherheit fernliegend oder nicht fernliegend ist

MPU erst bei wiederholter Auffälligkeit mit Cannabis

Eine wesentliche Änderung für die Fahrerlaubnis ist der neue Paragraph § 13a. Hier ist geregelt, dass die Anordnung einer MPU erfolgt, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss begangen wurden. Eine deutliche Liberalisierung, denn nach alter Rechtsnorm wurde oft bereits bei Erstauffälligkeit eine MPU fällig, selbst wenn keine Hinweise auf Missbrauch oder Abhängigkeit vorlagen.

Fazit: Mehr Rechtssicherheit für Gelegenheitskonsumenten

Die aktuellen Gesetzesänderungen zum Thema Cannabis im Straßenverkehr sind eine sinnvolle Reformierung. Mit der Liberalisierung wurde eine übertrieben rigide Gesetzeslage moderat modernisiert. Während sich der Deutsche Hanfverband noch einen höheren Grenzwert gewünscht hätte, steht berechtigterweise die Sicherheit im Straßenverkehr im Vordergrund. Personen mit einem problematischen Konsumverhalten haben weiterhin nichts im Straßenverkehr zu suchen.

Für Fahrerinnen und Fahrer mit einem moderaten Konsum und Verantwortungsbewusstsein bei der Verkehrsteilnahme ist die gesetzliche Änderung ein wichtiger Meilenstein: sie sind vor einer übertrieben strengen Verfolgung und wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Straf- und Überprüfungsmaßnahmen ab sofort deutlich besser geschützt.